Das Berater Dilemma – man fühlt sich wie ein armes Schwein
Mit Schwung in die Zwickmühle
Der Jobzusatz ‚-berater‘ lässt zu Beginn der Karriere den einen oder anderen froh hoffen. Jetzt darf ich endlich etwas bewegen. Ich kann den Kollegen helfen und die Organisation besser machen. Dazu ist die Aussicht auf die interessanten, spannenden und manchmal auch leicht geheimen Themen des Unternehmens groß. Der Realitätsschock lässt meist nicht lange auf sich warten. Sehr schnell lernen Berater, dass die Entscheidungen andere treffen und der Berater, auch wenn er noch so Recht haben mag, eben nichts entscheidet. Sie stehen an der Seitenlinie.
Das gilt für fast alle Bereiche von internen Beratern im Unternehmen. Am direktesten lernen es wohl Controller und Prozessmanager, aber auch Projektmanager, IT-Berater und HR-Businesspartner kommen wahrscheinlich ebenfalls schnell dahinter. Es gibt viele unterschiedliche Ausprägungen der Zusammenarbeit, dennoch gibt es Fachbereiche, die nicht unbedingt froh sind über die Hilfe der Berater. Dazu kommen Mitglieder der Managerebene, welche zwar hier und da über Risiken und Nebenwirkungen unterrichtet werden wollen. Diese Meldungen jedoch über andere Verantwortungsbereich als den eigenen gerne vorziehen. Wenige operative verantwortlicher Manager mögen es auf Probleme in ihren Bereich aufmerksam gemacht zu werden.
Der Trotzkopf als Berater erreicht nichts
Ich habe einmal erlebt, wie ein Prozessberater einen Fachbereich auf eine potenzielle Verbesserung in den Abläufen und Qualität der Prozesse hinweisen wollte. Der Prozessberater hatte eine Schwachstelle in der Lieferkette gefunden und wollte diese unbedingt abstellen, damit die Kundenzufriedenheit steigt. Die Kollegen des Fachbereichs machten allerdings den Eindruck, als ob er von dem Vorschlag nichts hören wollte und auch gerade keine Lust und Zeit habe sich in die Prozesse hineinzudenken. Daher lehnte er die Beratungsleistung einfach und wortkarg ab. Der Prozessberater war allerdfings von seiner Verbesserung so überzeugt, dass er die Situation in die nächsthöheren Ebenen eskalieren ließ. Mit dem Ergebnis, dass alles so blieb wie bisher. Warum konnte das passieren?
Die höheren Ebenen sahen zwar das Problem, vertrauten aber der Fachexpertise des verantwortlichen Fachbereiches. Dieser wies zudem daraufhin, dass er keine Kapazität für die Veränderung hätte und das Einmischung dieser Art nicht hilfreich sind.
In diesem Beispiel war die Mission des Beraters nicht klar. Zusätzlich war der Berater zu optimistisch und vorschnell an die Aufgabe herangegen. Die Situation der Organisation in Bezug auf den Reifegrad der Beratungskultur, wurde im Vorwege nicht betrachtet. Dazu später mehr.
Der Auftrag beinhaltet schon das Dilemma
Der Auftrag eines jeden Beraters lautet fast immer: Berate und unterstütze die Fachbereiche und melde und berichte dem Management Probleme und Risiken. Das ist der Hintergrund für die Situation des Beraters als ‚arme Schwein‘.
Ich als Berater soll eine gute Beziehung zu meinem Fachbereich aufbauen, der meine Beratung nicht unbedingt will oder braucht. Falls ich der Meinung bin, dass etwas nicht gut funktioniert oder eine Problemwelle auf das Unternehmen zu rollt, ist es meine Verantwortung dies zu kommunizieren. Meine Beziehung zu meinem Fachbereich wird so allerdings (unter Umständen) belastet. Das ist einfach „irre“. Wie kann dieser Knoten denn auch nur ansatzweise entwirrt werden? Die Konflikte scheinen doch reihenweise vorprogrammiert zu sein.
Die Haltung macht den ersten Unterschied
Fangen wir bei den Beratern an. Die Einsicht, dass er selbst als Unterstützer in einem Unternehmen unterwegs ist, keine operative Verantwortung hat und somit an der Seitenlinie steht, ist hierbei elementar. Das eigene Handeln sollte bestimmt sein von der Einstellung, dass ich dem Unternehmen am besten helfe kann, wenn ich den internen Kunden unterstütze ein Problembewusstsein zu entwickeln. Das kann dauern und braucht Geduld. Solange er ein solches noch nicht hat, werde ich auch nicht zu ihm durchdringen, auch wenn ich noch zu viel Recht habe. Dann heißt es warten.
Darüber hinaus ist der Weg zum Management eine schöne Drohkulisse, aber ein schlechter Ratgeber. Die gute Beziehung zum Fachbereich ist absolut wichtig. Eine Drohung, dass wenn der Fachbereich nicht auf den Vorschlag des Beraters eingeht, die Angelegenheit eskaliert wird, sollte nie geschehen. In dem Beispiel vorhin verpuffte diese zudem und der Berater stand dumm da.
Wenn es unabdingbar ist, schreibt die Berater-Rolle die Meldung nach oben vor. Hier sollte aber immer eine unaufgeregte und persönliche Information zum Fachbereich im Vorwege erfolgen. Nach dem Motto: „sorry, aber ich kann nicht anders“.
In diesem Spannungsdreieck zwischen Fachbereich, Management und Berater sind Offenheit, Kommunikation und Empathie daher von ungemeiner Bedeutung.
Wie weit ist die Organisation bereits
In diesem Zusammenhang ist es vielleicht als Berater-Team eine Idee mal zu schauen, wie weit das Unternehmen mit seiner Beratungs-Kultur, oder wie ich es nenne dem Reifegrad, bisher gekommen ist. Sollte der Reifegrad hier schon hoch sein, könnten die Spannungen etwas abnehmen und die Unternehmung sehr agil und innovativ der Zukunft entgegen gehen.
Ansonsten wäre es vielleicht ein guter Start, sich einmal die Mission der Berater im Unternehmen vor Augen zu führen und zu formulieren. Ein Abgleich mit den Fachbereichen und dem Management im Nachgang wird ebenfalls sehr nützlich sein. Diese Diskussionsrunde startet mit Respekt und positiven Ideen am sinnvollsten der Berater. Ein wenig Geduld gehört immer auch dazu. Als Ergebnis wird es viele Erkenntnisse geben und das gemeinsame Verständnis wird wachsen.
Ohne Empathie, Kommunikation und Eigeninitiative der Berater bleiben diese Rollen im Unternehmen und damit die Menschen, welche diese ausfüllen, auf alle Fälle immer die armen Schweine.
Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Ich freue mich auf eure Ideen und Lösungen!

