Delegieren lernen auf die ‚harte Tour‘ – wenn die Assistentin nichts zu tun hat!

Andreas Kroß & Susanne Fuchs • 17. September 2020

Der nächste Schritt

Der Weg über die Karriereleiter kennt viele unterschiedliche Richtungen und Strecken. In meinem Fall war zuerst die Expertenlaufbahn. Danach folgten als zweiter Schritt die ersten Führungserfahrungen mit meinem ersten zu führendem Mitarbeiter. Es folgten die Ergänzungen 2.2 bis hin zu ca. 2.16. Bei einer Teamstärke von ca. 16 Kollegen wurde es damals Zeit für den dritten Schritt der Karriere. Ich sollte eine Assistentin bekommen. Zum Glück fand ich mit Susanne auch schnell die richtige Kollegin. 


Nach all den Erfahrungen, kleinen Dämpfern und Krisen, dachte ich, dass die Führung einer Assistentin nicht so schwierig sein könne und sie mir bestimmt viel Arbeit und Zeit abnehmen würde. Eines hatte ich mir zu dem auch vorgenommen. Ich wollte Susanne ein guter Chef sein und keine schrecklichen Klischees erfüllen. Ich wollte sie also nicht unbedingt bitten, Kaffee zu kochen, mein gebrauchtes Geschirr weg zu räumen und so weiter. Ja, ganz ehrlich: Dream On, Andreas! Vorgenommen hatte ich es mir, aber später dazu mehr.


Organisiere dich zuerst selbst, dann kann jemand dir helfen

Susanne fing Ende des Jahres bei uns an. Sie bezog klassisch den Arbeitsplatz vor dem Eingang zu meinem Büro. Ab jetzt hatte ich einen sehr charmanten Wachhund vor meiner Tür. Aber das war auch alles, was im Hinblick auf unsere Zusammenarbeit klar war. Jetzt ging es darum, dass ich mir klar wurde, was, wie und auch wobei Susanne mir helfen konnte. Ein wenig Zeit konnte ich mir erkaufen. Die Abteilungsweihnachtsfeier musste noch organisiert werden und die Bestellung des Bürobedarfs bedurfte auch einer Neuorganisation.


Beide Aufgaben bearbeitete Susanne allerdings in einer Geschwindigkeit und Genauigkeit, dass ich es weder so schnell mitbekam, noch mir bewusst war, dass ich bald neue Aufgaben für sie brauchen würde. In einem der Jour Fixe im neuen Jahr kam es dann auch zur Sprache. „Andreas, ich hätte noch Kapazitäten“ teilte mir Susanne mit. ‚Cool‘ ging es mir durch den Kopf. In allen Bereichen haben wir Engpässe und hier haben wir noch Ressourcen frei.


Aber, was gebe ich ihr jetzt? Wie organisiere ich mich, um den anderen helfen zu können? Was ist das Beste für das Team? Kurz, ich war mit dieser für mich überraschenden Meldung überfordert. Einen Trumpf hatte ich allerdings noch. In meinem Büro türmten sich Stapel mit Papieren und Notizen. Vielleicht könnte Susanne mir dabei helfen, dann würde ich Dinge schneller wiederfinden. Naja, diese Aufgabe war eigentlich eine von den Aufgaben, mit denen ich Susanne nicht belasten wollte. Aber, in meiner Not, dachte ich, dass es noch passt. 

Susanne nahm den Stapel mit und begann Ordnung in die Seiten zu bringen. Soweit so gut. Im nächsten Jour Fixe ging es weiter.


Machen wir noch einen Ordner?

Der Stapel kam zurück. Sauber und ordentlich nach Themen sortiert. Am Ende des Jour Fixe präsentierte sie mir ihre Arbeit und Vorbereitungen. Sie hatte viel geschafft, aber die quälenden Fragen blieben dennoch. Welche Ordnerstruktur hätte ich gerne? Welche Laschen sollen die Ordner haben? Damit konfrontierte sie mich und ich war gezwungen meine Hausaufgaben in Selbstorganisation zu machen. 


Über die Monate und Jahre hinweg gab es immer wieder mal die Aussage von Susanne: „Andreas, ich hätte noch Kapazitäten“. Einiges an persönlicher Weiterentwicklung hatte ich bis zur Wiederholung des Satzes immer hinter mich bringen können. Doch der Satz kam immer wieder. Jedes Mal war es die Erinnerung daran, dass man nie auslernt. Im Jour Fixe mit Susanne hatte ich dann die Möglichkeit für eine weitere ‚Lern‘-Runde im Hinblick auf Delegation und Selbststeuerung.


Übungsaufgabe für neue Führungskräfte

Jetzt nach vielen Jahren und beim Schreiben dieses kleinen Beitrages, bekam ich eine Idee. Diese Aufgabe als Übung mit ‚der Assistentin, die nichts zu tun hat‘ würde ich gerne mal mit Mitarbeitern als Rollenspiel ausprobieren. Kurz bevor diese Mitarbeiter eine fachliche oder/und disziplinarische Führungsaufgabe übernehmen, wäre sie bestimmt geeignet in einem Vorbereitungsseminar. Die Übung könnte in einem Rollenspiel ausprobiert werden oder direkt über zwei Wochen im realen Büroalltag mit den entsprechenden Feedbackrunden. Auf die Ergebnisse, die Erfahrungen und Erkenntnisse der Teilnehmer wäre ich gespannt. Was denkst Du Susanne?

Jetzt redet Sie (geschrieben von Susanne)

Hallo Andreas, ich erinnere mich auch noch an dieses erste Gespräch bei Beginn unserer Zusammenarbeit. Offen und ehrlich hattest du mir erzählt, dass ich „deine erste Assistentin“ wäre und du mir nicht das „Chef-typische“ Kaffeeholen auftragen möchtest. Diese Wertschätzung hat mich echt gefreut. Ich sah und sehe meine Aufgaben als Assistenz in der Unterstützung des Vorgesetzten bzw. des gesamten Teams. Damit auch kein falsches Bild erscheint, ich hatte sehr wohl noch einige typische Sekretariatsaufgaben (Terminkalender führen, Reisen buchen etc.) zu erledigen, aber die Entlastung des Chefs als Teil meiner Arbeitszeit kam einfach zu kurz.


Kurzer Einschub von mir, wenn ich darf? Stimmt, das gebe ich zu. Es gab dabei auch häufig die schöne kleine Geschichte, dass Du mich schon eingecheckt hattest auf den Flügen und meine Kollegen Abteilungsleiter noch selbst eingecheckt haben.


Dadurch, dass unsere Zusammenarbeit von Offenheit geprägt war und ich langjährige Cheferfahrung hatte, war es ein Leichtes für mich, zu Andreas zu gehen und ihm zu sagen, dass ich noch Zeit übrighabe. Ich denke, das haben wir gemeinsam gut hinbekommen – und die Kaffeetassen habe ich ab und an gerne weggeräumt, wenn es zu viele wurden…


Zu deinem Vorschlag mit dem Rollenspiel – das geht natürlich auch mit jedem Werkstudenten, Praktikanten, etc. Jede/r, die/der eine Aufgabe übernimmt, kommt auch mit Fragen zurück. 😊


Das ist richtig, aber dein Feedback und die Qualität dessen war für mich immer sehr wichtig. Ich befürchte, dass die Aufforderung des Feedbacks geben einen Werkstudenten überfordern könnte.


Delegieren heißt auch sich klar über die Aufgaben zu sein

Eines ist mir auf alle Fälle klar geworden. Wenn ich delegiere möchte aber ich mir selbst nicht darüber im Klaren bin, was die Aufgabe ist und wie viel Freiheit diese Aufgabe hat, werde ich in der Delegation scheitern. Dazu kommt noch, dass ich mit der Delegation eine Aufgabe nicht zwangsläufig bis zu ihrer Fertigstellung abgebe und am Ende kommt der Mitarbeiter mit der entsprechenden, richtigen und perfekten Lösung um die Ecke. Ich muss mir dafür Zeit nehmen zu zuhören, wo es noch Probleme gibt und an den nächsten Schritt denken. Susanne hat mir enorm dabei geholfen, dass zu verinnerlichen. Danke dafür nach Franken!



P.S. Nur zur Aufklärung: Susanne hat irgendwann angefangen mein Geschirr abzuräumen und hat auch mal Kaffee gebracht. Wenn ich ehrlich bin, war der Geschirrservice für mich schön. Als Kulturelement jedoch nicht optimal, so dass in den letzten 1,5 Jahre unserer Zusammenarbeit ich mein Geschirr meist selbst in die Geschirrspülmaschine gebracht habe. Vielen Dank Susanne für die schöne Zeit der Zusammenarbeit und diesen Artikel!


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Die Herausforderung